Zürich-Tagung
03.11.2015
Von gut gemeint zu gut gemacht: Ansätze zur aktiven Gestaltung der politischen Willensbildung rund um ÖPNV-Einnahmen und -Angebotssituation
Die mittlerweile 11. Tagung auf dem Uetliberg war schon fast wie ein Familientreffen - viele der Anwesende waren Wiederholungstäter. Ob Tarife, Takte oder Linienführung: Entscheidungen im ÖPNV sind mehr denn je hochpolitisch und meist im kritischen Fokus der Öffentlichkeit. Das Thema unserer 11. Fachtagung auf dem Zürcher Uetliberg schien zu polarisieren, da es weniger einen fachlichen Schwerpunkt legte, sondern den Blick auf das "How-to" des politischen Abstimmungsprozesses legte:
- Wie können Stadtratsfraktionen so eingebunden werden, dass sich keiner mit „billigen“ Forderungen profiliert?
- Wie können Politiker unterstützt werden, für ihre Ziele die richtigen und vor allem finanzierbaren Mittel zu finden?
- Wie können die Akteure des ÖV diesen Prozess aktiv gestalten, den Rahmen der Möglichkeiten besser ausschöpfen und die öffentliche Willensbildung professionalisieren?
Highlight waren zwei Koreferate, die jeweils in Kombination ein Vertreters der Stadt sowie des Verkehrsunternehmens hielten. Aus Nürnberg bereicherte der städtische Beteiligungsmanager Volker Wolfrum den ÖV-Teilnehmerkreis, indem er die Steuerung des dortigen Tarifprojekts durch die Kämmerei Revue passieren ließ – von der Ausgangssituation im politischen "Durcheinander" der Meinungen bis hin zur nahezu einstimmigen Entscheidungsfindung im Stadtrat für eine deutlich veränderte Tarifstrategie. Tim Dahlmann-Resing, Vorstand Marketing und Vertrieb, ergänzte aus Unternehmenssicht sowohl die erzielten Ergebnisse als auch die verfahrenstechnischen Hürden, die in einem vielschichtigen Verkehrsverbund zusätzlich zu meistern waren.
Aus dem Nachbarland Österreich schilderten Sonja Pitscheider, 1. Vizebürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck, sowie Martin Baltes, Geschäftsführer der IVB, in abwechselnden Worten den Tarifrelaunch im Stadtverkehr. In einem selten zu beobachtenden Annäherungsprozess konnte hier die politische Forderung nach einer massiven Preissenkung des Jahrestickets in ein aus Erlössicht erfolgreiches Gesamtprojekt überführt werden. Somit werden dort nicht nur Stammkunden preislich belohnt, sondern auch für die restlichen Nutzer mit einer stark rabattierten 5er-Karte besser an den ÖPNV gebunden.
Daneben berichtete Daniel Meier, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Luzern, eindrucksvoll von den Sparauflagen seines Kantons, deren Umsetzung und auch passender Gegenmaßnahmen – bis hin zu einer politisch durchgesetzten Beteiligung großer Verkehrserzeuger wie z.B. Einkaufszentren an den ÖPNV-Kosten.
Christoph Schaafkamp von KCW sortierte in seinem "Werkstattbericht" die Möglichkeiten zwischen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger, die ÖPNV-Leistungserbringung und -Qualität intelligent zu steuern, sowohl im Kontext eines ausgeschriebenen Verkehrs, einer Direktvergabe als auch einem eigenwirtschaftlichen Antrag. Im Fokus standen dabei weniger verbindliche Vertragsklauseln zum Abhaken, sondern vor allem die richtigen Anreize und vertrauensbildenden Maßnahmen, damit beide Seiten über die gesamte Vertragslaufzeit konstruktiv zusammenarbeiten.
In der Schlussrunde lobten die Referenten und Teilnehmende die Möglichkeit der intensiven Diskussion zu den Vorträgen und die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen zum Thema einzubringen. So konnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nur den Eindruck wunderschöner spätherbstlicher Sonnenaufgänge über dem sanft bewölkten Zürichsee mit nach Hause nehmen. Im Gedächtnis blieben auch die vielfältigen Möglichkeiten, wie Verkehrsunternehmen intelligent mit den Forderungen umgehen können, ohne in typische Diskussionsmuster und Ergebnisspiralen zu verfallen.