Veröffentlichung im NAHVERKEHR 10.2021

04.11.2021

Buskorridore erfolgreich vermarkten

PlusBus2021

In der Oktober-Ausgabe der Fachzeitung "DER NAHVERKEHR“ tragen Clemens Kahrs und Alexander Kraft einen Artikel zum Thema „Buskorridore erfolgreich vermarkten“ bei.

 

In dem Artikel beschreiben die beiden Kollegen deren Ansätze zur Vermarktung moderner Buskorridore in den Regionen Potsdam-Mittelmark, Hannover und Nordschwarzwald und zeigen, dass steigende Fahrgastzahlen im Busverkehr auch in ländlicheren Gebieten möglich sind. Wichtig sind dabei u.a. prägnante Marken und deren Qualitätsversprechen sowie ein stringentes Verkehrsangebot. Ihr Fazit ist, dass Route Branding mit lokalen Bezügen, emotionalen Botschaften und ein zur Region passendes Vermarktungskonzept wichtige Faktoren für den Erfolg von Buskorridoren sind.

 

Sie hoffen, der Branche mit dem Artikel zu mehr Mut zu verhelfen, den regionalen Busverkehr für die Fahrgäste besser erlebbar zu gestalten.

 

Der Artikel ist im NAHVERKEHR 10/2021 erschienen und kann hier nachgelesen werden.

 

„Wer andere anzünden will muss selber brennen“

Interview mit Hans-Jürgen Hennig zu Erfolgsfaktoren im Regionalbusverkehr

 

Regionale Busverkehre stehen immer öfter im Rampenlicht der Berichterstattung, da nicht nur die Politik vielfach erkannt hat, dass die Verkehrswende auch Lösungen für den ländlichen Raum bieten muss. Auch wenn die Finanzierung und Bereitstellung eines nutzbaren Verkehrsangebots in vielen Regionen bereits Gang und Gäbe ist, sind darüber hinaus auch weitere Themen zu beachten. Was bei der Konzeption und Vermarktung von regionalen Busverkehren zu beachten ist, fragte Clemens Kahrs stellvertretend für den NAHVERKEHR Hans-Jürgen Hennig, der in seiner langen Laufbahn in der Branche verschiedene leitende Positionen eingenommen hat und aus einem sehr großen Erfahrungsschatz berichten kann.

 

 

Der PlusBus verkörpert im regionalen Busverkehr in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ein gewisses Markenverspechen, was gehört dazu?

Erstmal finde ich es ganz toll, was die Leipziger Kollegen da entwickelt haben!
Die Kernbestandteile der Marke, auf die sich die Fahrgäste verlassen können sind:

  • Stundentakt im ländlichen Raum – Montag bis Freitag, ohne Einschränkungen in den Ferien. Dadurch wird ein großer Mangel behoben, den wir vorher im System hatten.
  • Das klare Zeitfenster, in dem der Stundentakt angeboten wird. Entweder von 6 bis 20 Uhr oder von 5 bis 19 Uhr, abhängig von den Zugfahrplänen und dem konkreten Pendlerverhalten.
  • Die gesicherten Wochenendverbindungen, die in bestimmten Regionen in den letzten Jahren abhandengekommen waren.
  • Und natürlich ganz wichtig: die Verknüpfung mit dem SPNV: Wir sind die Fortsetzung des RE in der Fläche.

 

Regionale Busmarken gibt es in Deutschland einige, der PlusBus ist da nicht die einzige. Braucht die Branche weniger, dafür aber klarere Marken?

Durch die Kleinstaaterei im ÖPNV wird zu wenig vom Kunden her gedacht. Ein möglichst einheitliches Produkt wäre für die Kunden wünschenswert, wie z.B. der RE im Eisenbahnverkehr – da weiß der Fahrgast, was ihn erwartet. Das haben wir leider im Busbereich noch nicht flächendeckend. Für meine Begriffe wäre das ein gutes Ziel, auch vor dem Hintergrund des Deutschland-Taktes und der Verkehrswende. Auf regionale Befindlichkeiten brauchen wir dabei nicht verzichten. Dachmarke plus regionalen Bezug ist die Lösung. Das bezieht alle Beteiligten vor Ort mit ein und gibt dem Fahrgast zusätzlich ein einheitliches Qualitätsversprechen.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigen Dinge bei der Vermarktung?

Tu Gutes und sprich darüber! Für den Start einer Linie sind die Punkte: rechtzeitig und umfänglich ganz wichtig. Da wir uns ja bewusst an Neukunden richten, reicht es nicht nur den Fahrplan zu veröffentlichen Wir wollen ja die Leute aus den Autos herausbekommen. Deshalb muss der Mehrwert für den Kunden klar erkennbar sein – Takt, Verlässlichkeit; proaktiv mit Preisangaben arbeiten und auf die tariflichen Mehrwerte hinweisen – beim X2 hat das eingeschlagen, wie eine Bombe. Und ganz wichtig ist, dass man seine eigenen Leute mitnimmt.

Wir müssen mit unserem Angebot auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Das schaffen wir zum Beispiel durch unsere Busse im PlusBus-Design. Die fahren umlaufbedingt auch auf anderen Strecken und machen dadurch auch abseits der Korridore Werbung für den PlusBus. Das wird positiv von den Menschen wahrgenommen und insgesamt wird der PlusBus damit in der Fläche bekannter.

 

Das Ganze will bezahlt werden, das Verkehrsangebot wie auch die Kommunikation. Ihr Aufgabenträger macht alles mit?

Unseren Aufgabenträger begeistern wir mit guten Konzepten, welche realistisch und stimmig sind und bei denen die Eckpunkte gut vorbereitet sind. Unser ÖDA lässt genügend Spielraum, den wir zu nutzen wissen.

 

Welche Rolle spielt das Personal?
Neben den Kunden ist besonders die Mannschaft wichtig. Fahrer und Fahrerinnen, die nachher eine Linie fahren, müssen von Beginn an wissen, was auf sie zukommt. Sie müssen selber gespannt und interessiert sein, um dann auch Fragen gut beantworten zu können. Bei uns gibt es immer die externe Kommunikation, z.B. der Flyer für alle Haushalte und parallel dazu die spezifische interne Kommunikation, sodass alle – vom Fahrer bis zum Lohnbuchhalter wissen, dass eine neue Linie eingeführt wird, mit allen nötigen Informationen. Das ist für den Erfolg extrem wichtig.

 

Branchenkollegen sprechen wohlwollend von Ihnen als „Mr. PlusBus“. Was meinen sie damit?

Der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes in Leipzig, Steffen Lehmann, sagt immer: „Wir haben den PlusBus erfunden und Ihr bei regiobus in Brandenburg habt das Beste draus gemacht!“ Diese Leistung wird oftmals an meiner Person festgemacht. Ich muss aber ganz klar sagen, dass die ganze Arbeit vor allem eine Teamleistung ist. Das Wesentliche bei uns ist, dass die Konzepte immer von der Basis aus entwickelt und nicht von oben herab verordnet werden. Dadurch funktioniert bei uns auch die Einführung einer neuen PlusBus-Linie schneller als anderswo. Ich gebe die Leitplanken vor, lasse Ideen zu und fördere das Einbringen der Mitarbeiter. Nicht zuletzt lasse ich mich von einem Motto leiten: „Wer andere anzünden will muss selber brennen.“

 

Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erfolgsfaktoren, auf dem Land deutlich mehr Menschen zur Nutzung von Bus & Bahn zu bewegen?

Das Angebot muss so stimmig sein, dass Kinder in die Ganztagsschule gehen können, dass sie Musik und Sport machen können, ohne dass die Mama oder der Opa den ganzen Tag Taxi spielen. Das ist für die nächsten Jahre, der richtige Ansatz. Dabei ist relativ zweitrangig, ob der Bus elektrisch fährt, wenn er bloß zweimal am Tag kommt. Wenn der Anschluss zum Zug nicht klappt, ist den Kunden auch egal, ob der Bus eine Brennstoffzelle hat. Die entscheidende Sache ist ein gutes, verlässliches und vernetztes Angebot zu vertretbaren Preisen, besonders im Überlandverkehr. Wir führen keinen Kampf gegen das Auto. Unsere erste Aufgabe ist, den Zweit- und Drittwagen zu ersetzen.

 

Portrait-Hennig

Hans Jürgen Hennig (67) ist Geschäftsführer des größten Verkehrsunternehmens im Land Brandenburg, der regiobus Potsdam-Mittelmark GmbH mit Sitz in Bad Belzig. Dieses ist  2017 aus Teilen der Havelbus GmbH sowie der Verkehrsgesellschaft Belzig mbH hervorgegangen. Letzterer stand er seit 2012 vor. Herr Hennig engagiert sich im VDV Ost. Von 2007 bis 2012 war er Geschäftsführer der TüBus und Leiter Stadtverkehr Tübingen. Weitere Stationen zuvor waren die Verkehrsplanung der Stadt Görlitz sowie über zehn Jahre Tätigkeit beim Kraftverkehr Görlitz. Er studierte 1973-77 Verkehrsingenieurwesen an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden.

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